Weil ich die Bumerangspitze liebe, aber Vernähen im Maschenstich hasse, musste ich das einfach ausprobieren. Diesmal habe ich eine sehr grobe Wolle aus Pommernschaf benutzt und 18 Maschen über eine Nadel und ein Seil offen angeschlagen (eine Anleitung dafür gibt es z.B. hier - ich mache allerdings den Laufknoten auf das Seil, nicht auf die Nadel). Dann folgte direkt die erste Herausforderung: Ich arbeite die Wendemaschen als "Shadow wraps", aber das geht nicht, wenn es keine Vorreihe gibt. Ich habe mir damit beholfen, die angeschlagenen Maschen zunächst alle links abzustricken, dann normal zu wenden und erst anschließend mit den verkürzten Reihen anzufangen. Die ersten Wendemaschen sind dabei jeweils die vorletzten der Reihe und nicht die letzten. Dann versetzt man die Wendemasche jeweils um eine zur Mitte hin wie gewohnt bis alle Reihen (bei mir 10, also 2 x 5 Wendemaschen) der ersten Hälfte gestrickt sind, strickt nun in zwei Reihen alle Wendemaschen ab und wendet jeweils auf den äußersten Maschen. Nun das ganze nochmal und die Wendemaschen dabei von innen nach außen versetzen, dann die Maschen vom Seil aufnehmen und fertig ist die Bumerangspitze. Ob die linke Reihe, mit der ich angefangen hatten, nun eigentlich eine zu viel war weiß ich nicht, optisch störend ist sie auf jeden Fall nicht. Fuß, Bumerangferse und Schaft werden genauso gearbeitet wie bei Socken von oben. Abgekettet habe ich dann doch nicht nach Jeny's Methode, und auch nicht abgehäkelt. Beides wäre in der superdicken Wolle zu wulstig ausgefallen. Einfaches Abketten ging, gefiel mir aber nicht. Nach diversen missglückten Versuchen habe ich schließlich ganz locker von der linken Seite abgekettet, weil das hier des beste Kompromiss von Optik, Haptik und Elastizität schien. Sehr rustikal sind sie geworden, waren aber auch in dieser dicken Wolle blitzschnell gestrickt. Fazit: Toe-up-Socken sind eine feine Sache. Wenn ich ohnehin eine Kante plane, die von unten gearbeitet wird, Picot z.B., wären sie ohne jeden Zweifel meine erste Wahl. Will ich aber meinen geliebten Laufknotenrand beibehalten, werde ich weiter von oben nach unten stricken und das Vernähen im Maschenstich in Kauf nehmen. Noch ein Nachtrag: Ein weiterer guter Grund, sich für "toe up" zu entscheiden, könnte die Verarbeitung von Resten sein. Wenn man den Schaft so lang oder so kurz stricken will, wie eben Wolle da ist, fällt das von unten nach oben naturgemäß leichter. Und noch einer: Ich werde zukünftig tatsächlich auf Toe-Up mit italienischem Abketten als oberem Rand umschwenken. Die Bumerangspitze gelingt mir einfach sauberer als beim Stricken von oben, wo sich am Anfang und Ende der Maschenstich-Reihe, dort wo sie auf die Doppelmaschen trifft, ob Knubbel bilden. In dünnen Garnen nicht ganz so schlimm, aber da ich inzwischen wegen der längeren Haltbarkeit dickere Sockenwolle bevorzuge, können die doch etwas störend sein.
0 Kommentare
Probleme mit zu lockeren Maschen an den Rändern von Strickstücken scheinen ziemlich verbreitet. Ich bin sicher auch nicht die erste, die zu wissen glaubt, wodurch diese zustande kommen. Nämlich dadurch, dass die Maschen beim Abstricken etwas gedehnt werden, logischerweise auf Kosten der benachbarten beiden Maschen. Die Masche rechts, die zuvor geweitet wurde, wird dadurch wieder enger gezogen und verbleibt so. Die links, die als nächstes gestrickt, ist jetzt gerade enger, wird aber als nächstes geweitet werden, wiederum auf Kosten der aktuellen und ihres linken Nachbarn. Auf diese Weise wandert das kleine Stückchen überschüssige Fadenlänge unbemerkt von Masche zu Masche in Strickrichtung durch die Vorreihe. Es summiert sich auch nicht auf (anders als z.B. hier bei Lanagrossa postuliert): wenn wir in Runden stricken, können wir es Runde für Runde mitnehmen, bis das Ende des Strickstücks erreicht ist. In Reihen sieht das jedoch anders aus: die zusätzliche Weite kann maximal bis zur Randmasche mitgenommen werden, dort ist Schluss. Das lässt sich ganz gut ausprobieren, indem man absichtlich die Maschen besonders übertrieben weitet. Die Nachbarmaschen der weiten Randmasche (rosa markiert) sind die darunterliegende Randmasche (orange) sowie die zweitletzte Masche (pink). Beide Maschen sind bereits abgestrickt. Beim Weiterstricken kann also die rosa Randmasche nicht mehr durch das Dehnen der nächsten Maschen enger gezogen werden. Stattdessen werden nur die weißen Maschen über den farbig markierten enger gezogen.
Der Effekt ist unabhängig von der Art der Randmasche. Hätte ich einen Kettrand gestrickt, statt der rosa- und der orangefarbenen also nur eine, wären die pinkfarbene und die gelbe deren Nachbarmaschen. Und warum tritt das bei den meisten nur am linken Rand auf oder dort stärker? Hier lohnt es sich vielleicht zu überlegen, was den linken und den rechten Rand eigentlich kennzeichnet bzw. unterscheidet. Stricken wir kraus rechts und arbeiten die Randmaschen in identischer Weise, gibt es dann überhaupt einen linken und einen rechten Rand? Per Definition vielleicht, aber Vorder- und Rückseite sind identisch, und die Ränder unterscheiden sich nicht. Ich wäre sehr erstaunt, wenn auch hier das Problem auf eine Seite beschränkt wäre. Glatt rechts gestrickt dagegen gibt es einen Unterschied: auf den linken Rand zu werden rechte Maschen gestrickt, in Richtung des rechten Randes dagegen linke. Damit liegt die Vermutung nahe, dass beim Stricken von rechten Maschen die Masche der Vorreihe in der Regel stärker geweitet wird, als es bei linken Maschen der Fall ist. Was also tun? Mir fallen genau zwei Möglichkeiten ein: Entweder das Weiten der Maschen vermeiden oder zumindest reduzieren, oder dafür sorgen, dass die zusätzliche Fadenlänge aufgenommen werden kann, d.h. die ersten Maschen der linken Reihe müssen enger sein als die restlichen. Wahrscheinlich ist letzteres einfacher zu erreichen als die gewohnte Strickweise umzustellen. Entweder tatsächlich einfach nur fester stricken (wer allerdings wie ich ohnehin fest strickt, dem sind hier Grenzen gesetzt), oder einige Maschen im Wechsel "western" und "eastern" stricken und den Faden fest anziehen, oder - ganz radikal - einzelne Maschen gar nicht stricken, sondern abheben, und erst in der nächsten Rreihe aus dem Faden herausstricken, was mir aber sehr umständlich vorkommt. Vor einiger Zeit hatte ich ein Lochmuster für einen Moebiusschal entworfen, was auf dem Perlmuster basierte, von vorn und hinten gleich aussehen und eher die Querrichtung betonen sollte. Funktioniert hat das soweit gut, es hatte nur ein Manko: die Hälfte der zusammengestrickten Maschen musste links gestrickt werden. Ganz einfach, wenn sich die Maschen nach rechts neigen sollen (einfach zwei anstatt einer zusammen links abstricken), aber linksgeneigt dafür furchtbar umständlich: erste Masche links stricken, zweite wie zum Rechtsstricken abheben, beide zurück auf die linke Nadel, zweite über die erste ziehen und diese wieder auf die rechte Nadel. Nun habe ich einen normalen, offenen Schal angefangen, der ebenfalls von beiden Seiten gleich aussehen sollte, jedoch mit Betonung der Längsrichtung und ohne linke Abnahmen. Diesmal ist die Basis ein Rippenmuster, und ich habe die Zu- und Abnahmen jeweils um eine Reihe versetzt, mache also immer in den rechten Rippen die Abnahmen und Umschläge und in den linken Rippen stricke ich nur die Umschläge der Vorreihe ab. 1 re. (Randmasche), *1 re., 2 rechtsgeneigt zus., 1 Umschlag, 1 re., 1 Umschlag, 2 linksgeneigt zus., 1 re. (das ist die "rechte Rippe") 3 li., 1 re., 3 li. (das ist die "linke Rippe")*, 1 abheben (Randmasche) Das Muster ist eigentlich ganz einfach und wird in jeder Reihe gleich gestrickt. Der Rapport (oben von * bis *) besteht aus 14 Maschen, wir brauchen also eine durch 14 teilbare Maschenzahl + 2 Randmaschen, die ich bei diesem Muster als Kettmaschen am passendsten finde. Achtung: weil in jeder Reihe "Action" ist, ist es zwar nicht komplett unmöglich, zu ribbeln und Maschen wieder aufzufassen, aber es ist alles andere als einfach. Ich habe ab und zu Rettungsfäden eingezogen, fand aber selbst das Auffassen vom Faden ziemlich knifflig, als ich einen Fehler gemacht hatte. Untere und obere Kante werden abgehäkelt, das harmoniert gut mit dem Kettrand und legt sich am unteren Rand (s. Nachtrag unten) über dem Muster hübsch in leichte Wellen. Nachtrag: Leider wird - ganz ähnlich wie beim Wellenmuster - die obere Kante nicht so schön wie die untere, sondern eher etwas zipfelig.
Eastern, combined, western? Gelernt habe ich natürlich "western" (unten), d.h. das rechte Maschenglied, was für unverschränkte Maschen abzustricken ist, liegt vorn auf der Nadel. Ich hatte aber - wie anscheinend nicht ganz wenige - immer das Problem, dass die linken Maschen lockerer ausfallen als die rechten. Meine Gegenstrategien:
Letzteres belastet allerdings die Handgelenke deutlich mehr, und mit klassischen Rundstricknadeln gleiten die Maschen nur widerwillig vom Seil auf die Nadel und verhaken sich dort oft. Fürs Nadelspiel hingegen ist es praktisch, weil selbst bei ganz wenigen Maschen auf der Nadel diese kaum jemals versehentlich herausgleitet. Meinen Handgelenken zuliebe habe ich nun aber doch mit anderen Methoden herumprobiert. "Eastern" (oben), das Gegenstück, bei dem alle Maschen genau andersherum auf der Nadel liegen (so, als hättest du sie abgehoben, um sie verschränkt abzustricken), ist schon ziemlich gewönungsbedürftig, v.a. das Stricken der linken Maschen in eine "falschherum" auf der Nadel liegende Vorreihe. Es wird bei mir ziemlich gleichmäßig, und deutlich fester als die gewöhnte Strickweise, auch wenn ich den Faden gar nicht anziehe. "Combined" (Mitte), also rechte Reihen "western" und linke "eastern", strickt sich wunderbar ergonomisch, finde ich. Die linken Maschen sind so einfach wie rechte, und auch beim Abstricken der linken Maschen der Rückreihen auf der Vorderseite empfinde ich das Einstechen von rechts nach links als logischer und einfacher. Ganz gleichmäßig wird es bisher noch nicht, die linken Reihen neigen hier dazu, zu fest statt zu locker zu werden. Ich hoffe aber, das mit etwas Übung in den Griff zu bekommen. Aber warum nur werden die linken Reihen so viel fester? Manche meinen, der Fadenweg wäre kürzer, aber das kann nach meinem Verständnis eigentlich nicht sein, wenn ich eine ganze Reihe "eastern" stricke. Der Faden läuft immer einmal komplett um die Nadel herum plus zweimal über den Faden der Vorreihen-Masche, egal ob das von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn ist. In diesem Artikel: https://www.sockshype.com/linke-maschen-stricken-und-combined-knitting-stricktipp-training/ wird stattdessen die "Wickeltechnik" verantwortlich gemacht, was zumindest plausibler erscheint, auch wenn mich erstaunt, dass das so einen starken Effekt auf die Maschenweite hat. Zutreffend ist die Idee mit dem kürzeren Fadenweg allerdings, wenn in einer Reihe "eastern" und "western" im Wechsel gestrickt wird. Der Faden liegt dann im Zickzack über der Nadel und muss für eine Masche nicht ganz um sie herumgeführt werden, sondern kann quasi die Abkürzung nehmen. Dadurch lassen sich die Maschen wesentlich fester anziehen. Ich habe es ausprobiert und 17% weniger Fadenlänge ausgemessen, was mir beachtlich erscheint. U.a. aus diesem Grund würde ich im Muster eher nicht "combined" stricken, das ich als notorische Feststrickerin ja darauf konditioniert bin, die Maschen straff anzuziehen, und es mir wohl oft versehentlich passieren würde. Dieser Effekt lässt sich jedoch ganz hervorragend nutzen, wann immer an einer bestimmten Stelle zu weite Maschen entstehen. Hier kann man mit einzelnen andersherum gestrickten Maschen und starkem Festziehen gezielt Weite herausnehmen. Es gilt nur aufzupassen, dass man diese einzelnen Maschen nicht versehentlich verschränkt abstrickt. Update: ich habe nach dem Foto noch einige Reihen "combined" weitergestrickt, um zu üben, und siehe: ich hatte in den linken Reihen aus alter Gewohnheit den Faden zu fest gehalten. Nun wird es perfekt gleichmäßig, und ich liebe es! Vom weniger bekannten "surprisingly stretchy cast on", also dem Maschenanschlag nach Jeny Straiman, war ich vom ersten Moment an begeistert. Das populärere Gegenstück, extra-elastisches Abketten nach Jeny, gefällt mir nicht ganz so gut, und ich empfinde es auch als nicht ganz so elastisch wie den Anschlag mit Laufknoten. Nach den ersten nicht 100% zufriedenstellenden Strickproben habe ich es noch einmal systematisch getestet, über einem 3-rechts-1-links-Rippenmuster: 1. Obere Kante:
2. Untere Kante:
Goldrute war eine meiner ersten Versuche, als ich angefangen habe, mich im alten Prinzessinnengarten (R.I.P.) mit dem Färbebeet zu beschäftigen. Die kanadische Goldrute ist ja quasi ubiquitär und gilt soweit ich weiß auch als invasiver Neophyt, Material war also innerhalb und außerhalb des Beets im Überfluss vorhanden. Es ist mir damals gelungen, ein wunderschön klares, kaltes Gelb zu erzielen, was mich an Textmarker erinnert. Allerdings habe ich das später nie wieder so hinbekommen. Wir hatten auf den von Katie handgemalten Schildern im Färbebeet geschrieben, die färbenden Bestandteile wäre in der ganzen (oberirdischen) Pflanze, weil wir das irgendwo so recherchiert hatten, und ich habe große Vorräte von Goldrutenblättern gesammelt und getrocknet. Tatsächlich falsch war die Angabe zwar nicht, nur ergeben die Blätter stattdessen ein trübes, bräunliches Gelb. Das konnte ich nochmal verifizieren, als ich die letzten Vorräte von damals aufgebraucht habe. Ich hatte vor, einen mit Samtfußkrempling z.T. graugrün gefärbten Strang damit zu überfärben, um alternativ zur Eisen-Nuancierung olivgrüne Farbtöne zu erreichen, aber mit dem erzielten Farbton wäre das hoffnungslos gewesen. einen Der Verdacht keimte auf, die leuchtende Farbe könnte in den Blütenrispen stecken, und siehe, so war es. Ungebeizte Wolle funktioniert übrigens auch (die von damals war ungebeizt), nimmt aber etwas schwächer an, und ob es genauso haltbar ist, weiß ich auch nicht. Bei der dickeren Wolle rechts/unten hatte ich ein Drittel des Stranges mit Samtfußkrempling gefärbt und ein weiteres mit Blauholz. Das Blauholz hat sich aber bei der Überfärbung des komplettes Strangs mit Goldrute über die gesamte Wolle verteilt. Blaue Finger macht es zum Glück nicht.
Auch bei der dünneren links/oben war noch ein letzter kleiner Rest Blauholz mit im Spiel. Zerlöcherte Socken sind normalerweise eher unbeliebt, außer die Löcher sind gewollt und hübsch angeordnet. In meinem Ajourmuster sind inzwischen 2 ¾ Paare Lochmustersocken entstanden. Dier ersten waren wieder aus der Wolle von Ilka, Lauflänge etwas über 400 m / 100 g. Ich hatte 64 Maschen extra-elastisch angeschlagen und das Bündchen mit breiten Rippen (3 rechts, 1 links) gestrickt, anschließend den Schaft im Muster. Nach ungefähr der Hälfte des Schaftes habe ich jeweils die 7. und 8. Masche des Rapports zusammengestrickt, also von 64 auf 56 Maschen abgenommen, weil er mir etwas zu weit erschien. Sowohl Ferse als auch Spitze sind nach Bumerang-Art mit verkürzten Reihen gearbeitet. Leider ist dieses Paar mir wieder einmal etwas zu klein. Bei den nächsten aus Gotlandwolle mit ähnlicher Lauflänge habe ich das verbessert, in dem ich beim Übergang vom Lochmuster zu glatt rechts die abgenommenen Maschen wieder zugenommen. Die Passform ist diesmal perfekt. Das Muster kommt aber in dieser Wolle nicht so gut zur Geltung wie bei der hellen Milchschaf-Wolle, und das Bündchen ist etwas zu kurz gewählt und rollt sich ein. Ca. 8-10 Reihen dürfen es gern sein. Das dritte Paar also wieder aus Milchschaf. Diesmal hatte ich die Maschen aufgeschlungen und wollte eigentlich eine Muschelkante anhäkeln. Die war mir aber nicht elastisch genug, so dass ich wahrscheinlich noch einige Reihen im Bündchenmuster anstricke und mich dann mit Jeny's super-elastischem Abketten auseinandersetze. Hier habe ich das Muster über die Oberseite des Fußes fortgesetzt, was mir gut gefällt. Fazit
Weil mir die Bumerangspitze noch besser gefällt als eine Bandspitze, aber ich Vernähen im Maschenstich überhaupt nicht leiden kann, werde ich mich wohl als eines der nächsten Projekte an von unten ("toe up") gestrickten Socken versuchen. Von meiner ersten Färbung mit Eichenblättern und Eisenessig war ich total begeistert. So ein schönes neutrales Dunkelgrau ohne einen Braun-, oder Grünstich! Der Stoff mit dem Batikeffekt im Hintergund sowie die wie Stahlwolle wirkende Schafwolle sind die Gerbsäure-Eisenessig-Färbungen.)
Das Baumwolltuch, das nur ein Test gewesen war, hing dann lange Zeit draußen. Danach war das Grau weitestgehend verschwunden, dass Tuch sah rostfleckig und zerlöchert aus und zerbröselte unter den Händen. Es monatelang Sonneneinstrahlung und Witterung auszusetzen, das sind sicherlich Extrembedingungen, die den Ablauf der Prozesse beschleunigt haben dürften. Andererseits ist Baumwolle tendenziell robuster als Wollfasern. Was kann passiert sein? Beim Tintenfraß wird meist die sich aus der Eisengallustinte bildende Schwefelsäure als Ursache angeführt. Oft habe ich in Diskussion gelesen und gehört, dass die ja kein Problem sein kann, wenn die Wolle nicht mit Eisensulfat, sondern mit Eisenacetat behandelt wird, sich also keine Schwefel- sondern Essigsäure bilden würde. Allerdings ist Säure nicht das einzige, was bei der Zerfallsreaktion entsteht, sondern außerdem wird zweiwertiges Eisen frei. Auch dieses greift die Fasern an. Diese Information habe ich u.a. bei seilnacht.com gefunden, und es gibt wissenschaftliche Untersuchungen zum Tintenfraß, die diesen Schluss ebenfalls nahelegen, allerdings auf Zellulose bezogen. Meine Vermutung war, dass es mit Luftsauerstoff und Wasser zu Rost weiterreagiert und dieser letztlich die Fasern zerreibt, aber vielleicht sind die tatsächlich ablaufenden Prozesse doch noch andere. Dieses Jahr springen mich die Färbepilze im Wald geradezu an. Auf einem fast komplett speisepilzfreien Streifzug im Buchenmischwald hatte ich in einer Douglasienschonung diverse Samtfußkremplinge mitgenommen. Zum Lufttrocknen war es zu feucht, und den Trockner wollte ich dafür nicht anwerfen, also direkt ab in den Färbetopf. Das Resultat ist ein Graugrün oder vielleicht Schilfgrün. Für die Handschuhe gefällt es mir sehr gut, und auch für Überfärbungen mit kalten Gelbtönen, um Olivgrün zu erhalten, ist es ebenfalls prädestiniert. Sowohl der Farbton an sich als auch der Farbumschlag von Violett zu Graugrün durch starkes Erhitzen haben eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den blauen bis rotvioletten Blütenfarbstoffen, z.B. von schwarzer Stockrose. Die ausgekochten Pilze rechts im Bild haben dieselbe Farbe angenommen. Da habe ich sofort noch weniger Neigung, den "Wurstsalat-Ersatz" aus Samtfußkremplingen, den manche daraus machen, jemals auszuprobieren. Welch Glanz in meiner Hütte!
Die Fasern sind nicht so sehr fein, dafür aber extrem glatt und glänzend. Und die Farbe ist nahezu neutralgrau, ohne den Braunstich, den graue Wolle sonst fast immer hat (im Bild zum Vergleich die kleine Strickprobe vom Pommernschaf). Auf der Website meiner "Wolldealerin" stand, dass die Wolle nicht unbedingt anfängertauglich wäre. Ich hatte eigentlich keine großen Probleme bei Verspinnen, was bedeuten mag, dass ich dem Anfängerstadium inzwischen entwachsen bin. Bei der zuletzt versponnenen Partie, die ich besonders dünn ausziehen wollte, gab es allerdings gleich zwei Unfälle: Der Faden ist mir nur ein einziges Mal gerissen, aber ich konnte das lose Ende nicht mehr wiederfinden, weil ich vorher nicht so sorgfältig mit dem Wechsel der Haken war und die Wolle dadurch unordentlich und locker auf der Spule lag. Und beim Verzwirnen habe ich es irgendwie geschafft, mittendrin die Richtung zu wechseln. Eigentlich geht das gar nicht, weil sich das Garn wieder abwickeln würde, aber ich habe es trotzdem irgendwie hinbekommen und viele, viele Meter so weitergesponnen. Der Drall schien richtig, aber die Einzelfäden wollten sich nicht wirklich umeinandersockenparade-mit-ganz-vielen-lochern.htmllegen. Irgendwann fiel der Groschen, und ich habe es tatsächlich in mühevoller Arbeit wieder aufgedröselt bekommen. Beides hat nicht speziell mit der Gotlandwolle zu tun, aber mit Sorgfalt und Konzentration. Was mich erstaunt hat: Obwohl die Fasern beim Spinnen fast ohne jeden Widerstand aneinander vorbeigleiten, ist die Wolle erstaunlich filzfreudig. Entstanden sind daraus ein paar zarte Lochmustersocken, die ich allerdings schon stopfen musste, sowie Garn für ein Häkel-UFO, was noch immer auf Fertigstellung wartet. |
MeSonst blogge ich manchmal über Essen (mit und ohne Pilze). Aber jetzt kam wieder einmal die Wolle über mich. Archiv
Mai 2024
Kategorien
Alle
|