Nachdem ich erst kürzlich den Ausdruck "wildern" im Zusammenhang mit Wolle kennengelernt habe und den Effekt sehr beeindruckend fand, wollte ich es gern selbst ausprobieren. Klar ist: Das passiert nicht einfach so (bzw. wenn dann zufällig), sondern der Farbrapport in der Wolle muss zur Rundenlänge des Gestricks passen. Oder anders gesagt: Wenn eine in bestimmter Stranglänge mehrfarbig gefärbte Wolle in deiner Sockengröße "wildert", wird sie das ziemlich sicher nicht mehr tun, wenn du ein paar Nummern größere oder kleinere Socken strickst. Also habe ich versucht, eine "wildernde" Wolle nach Maß anzufertigen. Es ist dabei fast alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte, und trotzdem liebe ich das Resultat. 1. Die Wolle 100% Ilka, also Ostfriesisches Milchschaf. Dreifädig verzwirnt, damit sie bloß nicht zu dünn wird und hoffentlich ein bisschen länger hält (ich hasse Socken stopfen). Nicht zu dünn zu spinnen wird langsam zur Herausforderung, aber immerhin habe ich es auf um die 250 m / 100 g gebracht. Sie ist ziemlich gleichmäßig, und Zwirnwinkel und alles gefällt mir ausgesprochen gut. 2. Die Vorbereitung Ich habe viele Runden testgestrickt und ausgemessen, um meinen Garnverbrauch pro Runde möglichst genau zu bestimmen. Im Durchschnitt kam ich bei glatt rechts auf 64,5 cm pro Runde (im Rippenmuster erstaunlicherweise etwas weniger als glatt rechts). Also habe ich die Wolle mit einigen Hilfsmitteln zu einem Strang mit 129 cm Rundenlänge gewickelt. 3. Erste Färbung: Lebensmittelfarbe Ich habe eine Gelfarbe aus dem Konditoreibedarf benutzt, in diesem Fall mit E122 (Azorubin bzw. Karmesin) nebst etwas E 102 Tartrazin - allzu viel kann letzteres dem Farbton nach aber nicht gewesen sein. Die Lebensmittelfarben sind evtl. noch einen eigenen Beitrag wert, wenn ich dazu komme. Vom Strang hatte ich zwei gegenüberliegende Enden, höchstens 1/4 der Gesamtlänge, abgeteilt und den Rest doppelt in Gemüsebeutel eingebunden, um ihn von der Färbung auszunehmen. Die Färbung an sich hat gut funktioniert, ein sehr satter Farbton im zu färbenden Bereich, allerdings hat sich die Farbe recht weit in den abgebundenen Bereich vorgearbeitet, am Ende hatte ich einen zu mindestens einem Drittel gefärbten Strang und überhaupt nicht den klaren, harten Farbübergang, den ich im Sinn hatte. Im Wasser war noch überschüssiger Farbstoff (den durften meine grauen Socken restverwerten, die dankbar alles aufgesogen haben), was auf eine Überdosierung hindeutet. Beim Spülen blieb das Wasser aber komplett klar, womit ich den Farbstoff für erfolgreich fixiert hielt. 4. Überfärbung: Kiefernbraunporling An diesem Punkt bin ich vom ursprünglichen Plan abgewichen, den mittleren Teil des pinkfarbenen Bereichs noch mit blauer Lebensmittelfarbe zu überfärben. Grund war einerseits der unscharf verwaschene Farbübergang der ersten Färbung, nicht zuletzt aber auch der Gedanke, dass die Wolle dort bereits gesättigt mit Säurefarbstoff sein könnte. Also habe ich zu meinem Vorräten gegriffen, die Pilze ausgekocht und währenddessen den Strang - wiederum möglichst genau gegenüber - an 6 Stellen sehr eng abgebunden, darunter zwei in den bislang noch weitestgehend wollweißen Abschnitten. Ein Testfaden erzielte ein schönes Goldgelb, also los! Bei der Färbung kam dann die nächste Überraschung: die rote Lebensmittelfarbe löste sich bei sehr hohen Temperaturen teilweise wieder im Wasser und zog auf die jetzt zu färbende Wolle auf. Diese wurde im Endergebnis zwischen orange und lachsfarben. Immerhin, das Abbinden nach guter alter Batik-Methode hat tatsächlich die Farbaufnahme an den entsprechenden Stellen weitgehend verhindert und brachte mir zwar kurze, aber scharf abgegrenzte helle Farbtupfer in den Strang. Das vorläufige Endergebnis (Cliffhänger) Mich erinnert es an Campari-Orange, Sonnenaufgänge oder vielleicht auch Blutorangen (mit Kernen). Indes gab es bei der Verarbeitung noch weitere Überraschungen, über die ich in einem späteren Beitrag schreibe.
2 Kommentare
Steffi
7/2/2024 10:55:05
Huhu, hab grad mal reingeschnüffelt und muss sagen, dass das Ergebnis wirklich gut aussieht :) Bin auf das verarbeitete Projekt gespannt.
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Cinzia
7/2/2024 21:45:07
Das ist auch schon fertig, ich habe letzte Woche fleißig gestrickt, weil ich so neugierig auf die Wolle war. Socken sind es geworden, so etwas wie "halbwilde". Link ganz unten am Ende des Beitrags.
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MeSonst blogge ich manchmal über Essen (mit und ohne Pilze). Aber jetzt kam wieder einmal die Wolle über mich. Archiv
Mai 2024
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