Lange habe ich hin- und herüberlegt, versucht mich über die Umweltverträglichkeit von Säurefarben zu informieren, und irgendwann schließlich die Grundfarben Cyan (bei Eurolana Türkis genannt), Gelb, Magenta und Schwarz bestellt, um zum ersten Mal unversponnene Kammzüge zu färben (das traue ich mich mit Naturfarben nicht). Außerdem musste noch eine Feinwaage her, um Mengen unter 1 g abwiegen zu können. Als nächstes habe ich ein bisschen mit einem Färbwähler herumgespielt, um ein paar gut harmonierende Wunschfarben zu finden und mir die CMYK-Werte dazu notiert, um einen Richtwert für die Mischungsverhältnisse zu haben. Vom Farbpulver habe ich je 1 g auf 10 ml destilliertes Wasser in kleine Tropfflaschen gefüllt. Das hat den Vorteil, dass ich anschließend nicht mehr mit Maske arbeiten musste und sich diese Stammlösungen einigermaßen planbar dosieren lassen (20 Tropfen entsprechen 1 ml und enthalten ca. 0,1 g Farbstoff - schütteln nicht vergessen!) Meine Vorstellung war, dass ich ein größeres Stück vom Kammzug Himmelblau und je zwei kleinere Eisblau und Blauviolett färbe. Die erste Färbung sollte also das Blau aus ca. 18:11 Cyan und Magenta werden. Den Kammzug habe ich in lockere Luftmaschen gelegt, das hatte ich irgendwo aufgeschnappt. Farbe in den Topf, einen guten Schuss Essigessenz dazu, die vorher eingeweichte Wolle hinein und langsam erhitzen. Aber was ist das?? Die Wolle schreiend pink, das Wasser leuchtend türkis. Wie kann das sein? Ich habe noch etwas mehr Essig dazugegeben, um zu wenig Säure als Fehlerquelle auszuschließen, aber das brachte auch keine Veränderung. Schließlich habe ich aufgegeben, die Wolle im Sud auskühlen lassen und gespült. Ich war ziemlich frustriert, rosa ist nicht unbedingt meine Lieblingsfarbe. Eine andere Erkenntnis aus diesem ersten Versuch: die Luftmaschen müssen wirklich extrem locker sein, sonst gelangt die Farbe nicht überall hin. Anschließend habe ich recherchiert, wo der Fehler gelegen haben könnte. Könnte es zu viel Essig gewesen sein? Das erscheint unwahrscheinlich. Als Angabe zum pH-Wert habe ich 2-5 gefunden, und unter 2 wäre ich nicht mal gekommen, wenn ich Essigessenz pur (ohne Wasser) verwendet hätte. Eine andere Möglichkeit wäre die Temperatur. Sprudelnd kochen hatte ich das Färbebad nämlich nicht lassen, sondern nur so lange erhitzt, bis der Topf deutlich (wesentlich) zu heiß zum Anfassen war, das könnten aber vielleicht auch nur 60° gewesen sein. Also habe ich mein Bratenthermometer vom Kochutensil zum Bestandteil der Färbeküche umgewidmet und einen weiteren Versuch mit dem gelben Farbstoff gestartet. Den türkisen habe ich einfach im Topf gelassen, weil ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich Hoffnung hatte, dass er sich jemals an die Fasern binden würde. Hinein kam ca. 1/4 des misslungenen pink-weißen Kammzugs (unten im Bild ganz links) sowie ein neues ungefärbtes Stück (unten im Bild 2. von links). Das Wasser blieb lange Zeit dunkelgrün, aber irgendwann bei um die 70° schlug es in Richtung türkis um. Ah, der gelbe Farbstoff funktioniert und zieht auf die Faser auf. Ich habe vielleicht bis 75° oder maximal 80° erhitzt und die Wolle dann auskühlen lassen. Zur Überraschung war nicht nur das Gelb komplett von der Wolle aufgenommen worden, sondern nun auch ein Teil des türkisblauen Farbstoffs. Es funktioniert also doch, aber die Farbstoffe benötigen unterschiedlich hohe Temperaturen. Als nächstes Experiment habe ich einen weiteren Teil der pink-weißen Wolle in die restliche Farbflotte hineingegeben und wirklich bis nahe an 100° erhitzt. Und siehe, nun wurde die Wolle blau (unten im Bild 2. von rechts) und das Wasser klar. So is' brav, so muss das! Der Vollständigkeit halber habe ich dann noch den schwarzen Farbstoff am Rest der pink-weißen Wolle ausprobiert (unten im Bild ganz rechts), weil ich die so wie sie war nicht hätte verspinnen mögen. Auch Schwarz färbt früher als Türkis, und Türkis ist die einzige der vier Grundfarben, die beim Spülen ausblutet. Ob das mit den Farben anderer Hersteller wohl anders ist, oder sind sie chemisch identisch? Am besten von alles bisherigen Färbungen, die so ganz anders ausgefallen sind als geplant, gefällt mir tatsächlich der "Unfall" der grünen Überfärbung von pink-gescheckter Wolle ganz links. Die würde ich am liebsten sofort verspinnen, aber da es recht wenig ist, muss ich gut überlegen, mit welcher anderen Wolle sie gut zur Geltung kommt. Evtl. als dreifädiges Garn zusammen mit naturbrauner Milchschafwolle, die allerdings noch nicht gewaschen und vorbereitet ist. Bedenkenswert ist noch der Energiebedarf, der zumindest bei diesem Vorgehen mit recht kleinen Mengen Wolle und mehreren Überfärbungen ganz erheblich ist und keinesfalls geringer als beim Färben mit Naturfarben. Mit Solarfärbungen würde ich nicht die erforderlichen Temperaturen erreichen. Eine Küchenhexe, die primär zu Heizen dient und auf der nebenbei noch gekocht werden kann, wäre im Winter eine gute Lösung, oder im Sommer vielleicht überschüssige Energie aus Photovoltaik. Noch ein nachträglicher Gedanke zum Energieverbrauch: Zumindest für mehrfarbige Färbungen ist es vielleicht doch schlauer, in der Mikrowelle oder im Ofen zu färben, wie es ganz viele tun. Ich hatte Bedenken wegen des schnellen Aufheizens und Abkühlens, aber möglicherweise ist das gar nicht so schlimm, weil es keinen Überschuss an Wasser gibt, in dem die Fasern frei schwimmen. Und gerade dadurch werden eben auch mehrfarbige Färbungen in einem Färbevorgang möglich, statt die Wolle im Topf in der ersten Farbe zu färben, abkühlen zu lassen, umzuwickeln, erneut in der zweiten Farbe langsam aufzuheizen etc. Kleiner Schönheitsfehler: ich besitze keine Mikrowelle, und bei meinem Gasofen ist die Temperatur nicht wirklich kontrollierbar.
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MeSonst blogge ich manchmal über Essen (mit und ohne Pilze). Aber jetzt kam wieder einmal die Wolle über mich. Archiv
Mai 2024
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